Durch das Land mit einem Ticket

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Seit dem 1. Mai 2023 lässt sich mit dem Deutschlandticket für 49 Euro bundesweit der Nahverkehr nutzen. Das Ticket gilt in Zügen, Bussen, Straßenbahnen, U-Bahnen, S-Bahnen und auf vielen Fähren. Das Deutschlandticket ist nur ein erster Schritt zur klimafreundlichen Mobilitätswende neben weiteren Maßnahmen wie der Investition in den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und der Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel.

Nils Brabandt/Konzept Konzept

DURCH DAS LAND MIT NUR EINEM TICKET

Ein wichtiger Punkt bleibt die Finanzierung des Deutschlandtickets. Der Bund beteiligt sich hälftig an den Kosten und stellt dafür jährlich 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Den gleichen Betrag steuern die Bundesländer bei. Auch Mindereinnahmen, die den Verkehrsunternehmen im Einführungsjahr möglicherweise entstanden sind, tragen Bund und Länder je zur Hälfte. Welche Mehrkosten es aber wirklich gibt, lässt sich noch nicht beziffern. Laut einer Prognose des Verbands der Verkehrsunternehmen dürften die Verluste für die Branche für das Jahr 2023 2,3 Milliarden Euro betragen. Im gesamten Jahr 2024 sollen es 4,1 Milliarden Euro werden. Bei sechs Milliarden Euro Zuschüssen für 2023 und 2024 könnte sich unter dem Strich also eine Lücke von 400 Millionen Euro ergeben. Insgesamt stellt das Deutschlandticket einen wichtigen Fortschritt in Richtung nachhaltiger Mobilität in Deutschland dar. Durch eine solide Finanzierung und die Förderung umweltfreundlicher Verkehrsmittel kann es zur Reduzierung der Verkehrsemissionen beitragen und eine lebenswertere Zukunft schaffen.

Martin Dulig ist Minister im Sächsischen Staatsministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr, Mitglied des Sächsischen Landtags und stellvertretender Ministerpräsident. Am 20. Dezember 2019 wurde er erneut in beide Ämter berufen.

POLITIKER MARTIN DULIG –
„Das Deutschlandticket ist eine einmalige Gelegenheit.“

Das Deutschlandticket revolutioniert den öffentlichen Personennahverkehr und ist ein neues Qualitätskriterium in unserer Mobilitätspolitik. Es erleichtert vielen Menschen die Entscheidung
auf Bus und Bahn umzusteigen, weil es preislich eine wirkliche Alternative ist und zudem die Nutzung vereinfacht. Besonders Pendlerinnen und Pendler profitieren davon.

Mit dem Deutschlandticket stärken wir das ÖPNV-System und helfen, neue Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Deshalb steht der Freistaat zur finanziellen Unterstützung im Rahmen des gemeinsam von Bund und Ländern festgelegten Gesamtfinanzierungsrahmens. Maßgeblich ist für mich, dass der Preis attraktiv und damit eine gewinnende Alternative bleibt.

Darüber hinaus streben wir die Etablierung bundeseinheitlicher Tarifstandards für spezifische Bevölkerungs- und Einkommensgruppen an. Für Studierende haben wir mit dem Deutschlandsemesterticket bereits eine ausgezeichnete Lösung entwickelt, die wesentlich durch die Initiative des Freistaates Sachsen vorangetrieben wurde. Das Deutschlandjobticket wiederum bietet Unternehmen Anreize ihren Mitarbeitern und Auszubildenden einen günstigen Zugang zum ÖPNV zu ermöglichen.

Das Deutschlandticket ist eine einmalige Gelegenheit, Mobilität nachhaltig und klimagerecht zu gestalten. Dazu müssen wir einerseits die bestehenden ÖPNV-Angebote sichern, aber auch neue, weitere Verkehrsangebote schaffen. Insbesondere in ländlichen Gebieten müssen wir die Quantität und Qualität des ÖPNV-Zugangs und des Angebots steigern, was für uns alle gemeinsam eine
langfristige und finanziell anspruchsvolle Aufgabe ist.

Andreas Hemmersbach ist Landesgruppenvorsitzender des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen in Sachsen und Thüringen sowie Vorstand Mobilität bei den Dresdner Verkehrsbetrieben.

VORSTAND ANDREAS HEMMERSBACH – „Die Verkehrsunternehmen benötigen dringend Unterstützung, um die Verluste ausgleichen
zu können.“

Die Verkehrsunternehmen stellt das Deutschlandticket vor beträchtliche Herausforderungen. Denn es stellt das bisherige Ticketangebot völlig auf den Kopf und mindert dadurch erheblich unsere Einnahmen.

Hinzu kommt, dass Bund und Länder das Deutschlandticket zwar anfinanzieren, die steigenden Mehrkosten für beispielsweise Tariflöhne, Energie und Baumaßnahmen aber die Kommunen und Städte ausgleichen müssen. Damit wird das 49-Euro-Ticket zwar zu einer guten Sache für die Nutzer, aber den Verkehrsunternehmen fehlt jeglicher finanzielle Spielraum. Bisher konnten die
Unternehmen auf wirtschaftliche Engpässe mit moderaten Preiserhöhungen reagieren. Aktuell führt das aber dazu, dass noch mehr Fahrgäste zum günstigen Deutschlandticket wechseln. Die Unternehmen geraten somit unverschuldet in eine finanzielle Notlage, weil politische Eingriffe die marktwirtschaftlichen Anreize untergraben haben.

Mit der wachsenden Beliebtheit des Deutschlandtickets erwarten die Fahrgäste gleichsam eine Erweiterung des Angebots. Angesichts der aktuellen Lage ist das unmöglich. Es mangelt an finanzieller Unterstützung für Betrieb und Ausbau des ÖPNV. Deshalb fordern wir Bund und Länder auf, zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Kosten, die durch das Deutschlandticket entstehen, vollständig zu decken. Dies umfasst sowohl die Betriebskosten als auch notwendige Investitionen in Infrastruktur und Fahrzeugflotten.

FÜR EINEN TARIF AM GROSSEN TISCH

Aus Unternehmenssicht bleibt das Deutschlandticket vorerst ein Minusgeschäft.

Welche Hoffnungen gab es zur Einführung des Deutschlandtickets?

Martin Dulig Das Ziel war ein barrierefreies Ticket zu einem überzeugenden Preis, welches einen großen Schritt in Richtung Mobilitätswende darstellt. Diese Hoffnungen haben sich erfüllt, denn dieses Angebot hat vielen Menschen den Zugang zu Bus und Bahn erleichtert und ihre Kosten für Mobilität gesenkt. Ein Jahr nach der Einführung sehen wir eine deutlich positive Resonanz. Allerdings müssen wir weiter in die Infrastruktur investieren, um das Angebot flächendeckend attraktiv zu machen. Nicht überall sind die notwendigen Verbesserungen schon realisiert.

Andreas Hemmersbach Die bundesweit hohe Zahl derjenigen, die ein Deutschlandticket beziehen, zeigt, dass viele die Vorteile des Tickets zu schätzen wissen. Doch der überwiegende Teil war bereits ÖPNV-Nutzer und wir hätten uns noch mehr Neukunden gewünscht. Offenbar ist der Preis nicht das wichtigste Kriterium, auf den ÖPNV umzusteigen. Ein gutes Angebot, mehr Komfort und schnellere Beförderung sind den Menschen ebenso wichtig. Das zeigen auch unsere jährlichen Kundenbefragungen.

Weiter im Gespräch: Die ausreichende Finanzierung ist der Schlüssel für eine erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens.

Ist die finanzielle Leistungsfähigkeit der Verkehrsunternehmen berücksichtigt?

Andreas Hemmersbach Das Deutschlandticket hat die bestehende und funktionierende Tariflandschaft unterlaufen und unsere Einnahmen aus dem Ticketverkauf drastisch reduziert. Bund und Länder sagten zu, die fehlenden Mittel zu kompensieren. Lange war unklar, wie viel die Unternehmen als Ausgleich bekommen. Durch inzwischen gestiegene Produktionskosten kämpfen alle Beteiligten darum, wenigstens das bestehende Angebot zu erhalten. Das System ÖPNV fährt momentan auf Verschleiß.

Martin Dulig Es ist unabdingbar, dass wir die finanzielle Ausstattung der Verkehrsunternehmen stärken. Der Freistaat hat die Landesmittel für den ÖPNV in den letzten Jahren erheblich gesteigert. Auch die Bundesmittel für das Deutschlandticket und die Erhöhung der Regionalisierungsmittel sind ein wichtiger Schritt. Doch dies ist auf dem aktuellen Stand noch nicht ausreichend. Es bleibt eine kontinuierliche Aufgabe, das qualitativ hochwertige Angebot zu gewährleisten und auszubauen.

Sehen Sie grundsätzliche Fehler im System Deutschlandticket?

Martin Dulig Einen kritischen Punkt sehe ich im Risiko eines Tarif-Flickenteppichs. Um dies zu vermeiden, trete ich für bundesweit einheitliche Lösungen ein. Nur so können wir eine gerechte und gleichmäßige Nutzung des ÖPNV über alle Bundesländer hinweg gewährleisten.

Andreas Hemmersbach Das Deutschlandticket ist zweifellos ein einfaches und sehr günstiges Angebot. Doch damit eine echte Erfolgsstory daraus wird, brauchen die Unternehmen langfristig Planungssicherheit und vor allem eine auskömmliche Finanzierung.

Welche Ideen und deren Umsetzung würden Sie sich wünschen?

Martin Dulig Das Deutschlandticket ist eine gemeinsame Verantwortung von Bund, Ländern und der Verkehrsbranche. Während wir die finanziellen und rechtlichen  Rahmen­bedingungen schaffen, erwarte ich von den Verkehrsunternehmen und den ÖPNV-Aufgabenträgern innovative und kreative Lösungen, um das Angebot insbesondere in ländlichen und strukturschwachen Gebieten zu verbessern. Weiterhin müssen wir die Digitalisierung und Vernetzung im ÖPNV vorantreiben, um eine noch effizientere und benutzerfreundlichere Nutzung zu ermöglichen.

Andreas Hemmersbach Die Verkehrsminister sind sich einig, das Deutschlandticket langfristig finanziell zu sichern und gleichzeitig einen Infrastrukturfond für Erhalt und Ausbau des ÖPNV-Angebotes bereitzustellen. Das ist aus meiner Sicht ein guter Ansatz. Die Frage ist, welche Mittel und in welcher Höhe tatsächlich bereitgestellt werden. Angebotsausbau, Infrastrukturmaßnahmen oder Fahrzeugbeschaffungen benötigen einen mehrjährigen Vorlauf. Wir müssen heute wissen, welche Mittel dem ÖPNV in fünf oder zehn Jahren zur Verfügung stehen. Und natürlich sind auch Ideen gefragt, Planungen für Investitionen zu vereinfachen oder zu verkürzen. Das so etwas funktioniert, hat die Politik zuletzt bei Fragen der Energiesicherheit bewiesen.

Wo sehen Sie das Deutschlandticket in zehn Jahren?

Andreas Hemmersbach Das Deutschlandticket ist den Kinderschuhen entwachsen. Es erfreut sich bei Jung und Alt durchgehend großer Beliebtheit. Das ÖPNV-Angebot wurde kontinuierlich ausgebaut, der  Fuhrpark besteht ausschließlich aus modernen und umweltfreundlichen Fahrzeugen.

Martin Dulig In zehn Jahren sollte das Deutschlandticket mehr sein als nur ein günstiges Ticket. Es sollte Teil eines umfassenden, integrierten und nachhaltigen Mobilitätssystems sein, das allen Bürgerinnen und Bürgern unabhängig von ihrer finanziellen Situation oder ihrem Wohnort Zugang zu zuverlässiger, sicherer und komfortabler Mobilität bietet.


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