Qualität hat ihren Preis

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Mobilität ist eine öffentliche Dienstleistung und spielt eine wichtige Rolle bei der Gewährleistung der Daseinsvorsorge. Dr. Jan Schilling, Geschäftsführer für den Bereich ÖPNV im VDV, erläutert die Lage zur Förderung und Finanzierung des Nahverkehrs und gibt eine Prognose zur weiteren Entwicklung ab.

Nils Brabandt/Konzept Konzept

„Nur Reden hilft nicht mehr. Damit haben wir schon viel Zeit verloren.“ Dr. Jan Schilling

Wann kommt denn endlich der kostenfreie ÖPNV?

Ich denke, der kommt nie und wäre auch nicht sinnvoll. Erstens müsste man jährlich rund 13 Milliarden Euro aufwenden, mit steigender Tendenz. Das Geld würde dann fehlen, um andere öffentliche Aufgaben zu finanzieren. Zweitens zeigen internationale Erfahrungen, dass die Effekte nicht so groß sind. In Tallin wurde solch eine Initiative beispielsweise wieder eingestellt. Auch die sonstigen Rahmenbedingungen wie Angebot, Kostendeckungsgrad oder Motivation muss man sich genau anschauen. Plakative Antworten verbieten sich hier – vor allem angesichts der hohen Summen, um die es geht.

 

 

Welche Finanzierungsmodelle gibt es?

Den Hauptteil der ÖPNV-Finanzierung tragen die Nutzer. Das hat auch gute Gründe. Es fördert zum einen die unternehmerischen Anreize und zeigt zum anderen, dass das Ganze einen Wert hat. Den anderen Teil finanziert die öffentliche Hand. Wo wir im internationalen Vergleich Nachholbedarf haben, ist die sogenannte Drittnutzerfinanzierung. Denn verschiedene Gruppen haben einen bepreisbaren Nutzen von einem besseren ÖPNV und diese Einnahmen sollten wir zweckgebunden in den Ausbau und die Qualität investieren. Dabei geht es beispielsweise um Erlöse aus Parkraumbewirtschaftung, Arbeitgeber- oder Grundstücksabgaben.

Vor welchen Problemen steht der ÖPNV aktuell bei der Finanzierung?

Coronabedingt fehlen uns Einnahmen – insbesondere die Abonnentenzahlen sind gesunken. Das wurde 2020 bis 2022 mit den Rettungsschirmen vom Staat ausgeglichen. Dafür fahren wir aber auch weiter das volle Programm – unabhängig von den Fahrgastzahlen. Für diesen Ausgleich muss man dankbar sein, denn er hat geholfen, dass die Branche an diesem Punkt gut durch die Pandemie gekommen ist. Auch das 9-Euro-Ticket ist ein riesiges, international einzigartiges Experiment. Im Ergebnis sollte auf keinen Fall die Nutzerfinanzierung dauerhaft Schaden erleiden. Das wäre ansonsten ein Danaergeschenk für die Verkehrswende gewesen. Auf der Kostenseite leidet auch unsere Branche unter den hohen Energiepreisen und dem Bruch der Lieferketten. Wenn hier nicht nachgearbeitet wird, steigen entweder die Tarife für die Kunden massiv an oder die Angebote müssen eingeschränkt werden. Beide unternehmerischen Maßnahmen würden
aber die politisch gewünschte Entwicklung des ÖPNV konterkarieren.

Im Verband Deutscher Verkehrsunternehmen e.V. (VDV) sind rund 600 Unternehmen organisiert.

Gibt es in Deutschland positive Ausnahmen?

Die Lage ist sehr heterogen und die Breite nimmt mit der Dauer der Pandemie zu. Sachsen ist ja von Corona hart getroffen worden. Aber es gibt auch Lichtblicke. So ist mein Eindruck, dass etwa in Dresden die Kunden vergleichsweise treu waren und ihr Abo behalten haben. Da zahlt sich eine enge Kundenbindung aus.

 

Was sollte sich aus Ihrer Sicht ändern?

Wir müssen überall planbar und konsequent in den Ausbau und in ein attraktives Angebot investieren. Und dann muss den entsprechenden Beschlüssen auch die dazugehörige Finanzierungs­grundlage folgen. Nur Reden hilft nicht mehr. Damit haben wir schon viel Zeit verloren. Die Konzepte liegen ja auf dem Tisch und eine Investition in den ÖPNV ist immer auch eine Investition in eine lebenswerte Stadt oder die Gleichwertigkeit von Lebensverhältnissen im ländlichen Raum. Der VDV hat dazu mit dem Leistungskostengutachten eine Blaupause gegeben, die von der Verkehrsministerkonferenz einstimmig aufgegriffen wurde und die wir jetzt politisch mit Bund und Ländern umsetzen müssen. Aber auch die Kommunen sollten sich beispielsweise über die Drittnutzerfinanzierung beteiligen. Der Autoverkehr kostet den Staat jährlich etwa das Dreifache der Subventionen des ÖPNV.

Wieso wird das seit Jahrzehnten fiskalpolitisch akzeptiert?

Einfache Antwort: Wir sind ein Autoland und haben da einen aus meiner Perspektive etwas antiquierten Freiheitsbegriff. Die Diskussionen zum Tempolimit zeigen, dass da Dinge ins Rollen kommen, aber auch noch viel Klärungsbedarf ist. Vielen Menschen ist bewusst, dass es so nicht weitergehen kann und auch klimaschädliche Subventionen abgebaut werden müssen. Aber das greift natürlich immer in das Leben Einzelner ein und ist daher ein längerer Aushandlungsprozess.

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2 Kommentare

  1. Buster

    Hallo,

    der einführende Absatz schließt mit „Plakative Antworten verbieten sich hier“ und dennoch wird davor keine Chance ausgelassen pauschale Aussagen zu platzieren ohne Abwägung. Wieso man sich als Vertreter des ÖPNV selbst so unter den Scheffel stellt und die Argumente der Autoliebhaber gleich aufgreift, ist mir unerklärlich. Die passende Replik wurde auf https://www.heise.de/meinung/Ende-des-9-Euro-Tickets-Jetzt-ist-der-Ticketkauf-wieder-ein-Abenteuer-7248153.html geschrieben.
    Fehlendes Geld kann kein Argument sei, wenn man sich anschaut wie viele Milliarden schon für Folgen von Umweltschäden, Bankenrettung usw. ausgegeben wurden und welche Kosten auf unser Land zukommen werden, wenn eine ökologische Verkehrswende ausbleibt.

    Wie kann man das 9-Euro-Ticket als „ein riesiges, international einzigartiges Experiment“ bezeichnen, wenn man mit Tallin selbst zuvor eines von etlichen Beispielen genannt hat, dass zuvor schon gelaufen ist?
    Dann die Aussage „im Ergebnis sollte auf keinen Fall die Nutzerfinanzierung dauerhaft Schaden erleiden“ – wenn der Bürger an Bund/Länder Steuern zahlt und diese den ÖPNV finanzieren würden, wäre es auch weiterhin Nutzerfinanzierung.

    Stichwort Danaergeschenk: Wenn der Bund die Differenz zwischen Betriebskosten und Einnahmen des 9-Euro-Tickets ausgeglichen hat und dadurch der Anteil der Nutzerfinanzierung zurückgegangen ist, welcher Schaden ist dann in den letzten 3 Monaten entstanden? Falls es keinen gab, wieso sollte dann einer entstehen, wenn das Modell fortgeführt würde, nur mit einem anderen Betrag, der vielleicht 0 sein könnte?

    Ich entnehme dem Beitrag den Gedanken „Was nichts kostet, ist nichts wert“ und das ist genauso überholt wie der antiquierten Freiheitsbegriff des Autolandes. Eine preisgünstiger ÖPNV bietet viel mehr Einsparpotenzial, wenn wir ökologische und soziale Folgekosten betrachten. Daher bin ich für den gelungenen zweiten Teil des Beitrags dankbar und frage mich, ob da zwei Autoren am Werk waren.

    MfG Buster

    1. Christian Schlemper

      Hallo Buster, vielen Dank für Ihre Meinung.
      Lassen Sie uns kurz versichern, dass der gesamte Text aus der Feder eines Autors stammt.
      Über die Komplexität des Ticketkaufs lässt sich bestimmt streiten und dazu arbeiten auch im VVO viele Mitarbeiter an sinnvollen Lösungen. Check-In-Check-Out mit FAIRTIQ ist hier aus unserer Sicht ein Schritt in die richtige Richtung.
      Eine Finanzierung über Steuern ist nun einmal nicht Benutzerfinanziert sondern lediglich eine Umlage – und damit wird aus unserer Sicht der Fahrgast entmündigt, da das ihm zur Verfügung stehende Angebot zukünftig nur noch in der Hand von Politikern und staatlichen Organisationen liegt. Da der Fahrgast nichts bezahlt, spielen seine Bedürfnisse auch keine Rolle mehr. Eine Verpflichtung dieser Institutionen auf Daseinsvorsorge lindert das Problem nicht – da der ÖPNV in Zukunft dann immer rein am Finanztopf des Staates hängt. Aktuell haben die Fahrgäste durchaus Gestaltungsmöglichkeiten, da sie zu 50% den Nahverkehr finanzieren.
      Aus unserer Sicht ist der Gedanke „Was nichts kostet, ist nichts wert“ nicht antiquiert sondern zeitlos. Der Preis alleine bringt keine Verkehrswende. Dem VVO ist es gelungen, trotz demographischem Wandel und steigender Ticketpreise die Fahrgastzahlen in den vergangenen 20 Jahren deutlich zu steigern – indem wir konsequent in ein besseres Angebot investiert haben. Diesen Weg möchten wir gern weiter beschreiten – was angesichts der derzeitigen Herausforderungen keine leichte Aufgabe ist. Viele Grüße

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