Zu Besuch in der Werkstatt der Lößnitzgrundbahn

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In einer über 100 Jahre alten Halle in Radebeul werden in aufwendiger Handarbeit und mit teilweise musealem Werkzeug die historischen Loks der Lößnitzgrundbahn gewartet und repariert. Die Arbeitsbedingungen sind nicht mehr zeitgemäß. Deshalb entsteht nebenan eine moderne Werkstatt. Wir durften kurz vor dem Umzug noch einen letzten Blick in das alte Gebäude werfen.

Von Angela Zimmerling/Sebastian Thiel, Fotos: Sebastian Thiel, THIEL Creative Content

 

Mit einem freundlichen „Guten Morgen“ und festem Händedruck begrüßt uns Mirko Froß, Eisenbahnbetriebsleiter der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft (SDG), vor dem unscheinbaren und etwas ramponierten Schuppen auf dem Betriebsgelände in Radebeul. Oben blättert der Holzanstrich, unten die Wandfarbe. Nur ein kleines blaues Schild am Giebel verrät, dass hier ein Schatz gehütet wird: die Lokomotiven der Lößnitzgrundbahn.

Mirko Froß öffnet die kleine Tür im riesigen Tor, durch das die Gleise führen. Und schon steht sie vor uns, die altehrwürdige Dame, Jahrgang 1933, 54 Tonnen schwer, glänzend schwarz und feuerrot, effektvoll beleuchtet von den Lichtstrahlen, die seitlich durch das fast blinde Fensterglas dringen. Weil die Mechaniker gerade Frühstückspause haben, sind wir für einen Moment allein mit der imposanten Maschine, der Dampflokomotive VII K, Altbau, eine von drei einsatzfähigen Dampfloks der Lößnitzgrundbahn. Hier drinnen wirkt sie viel größer als sonst, wenn sie durch die Moritzburger Teichlandschaft dampft.

Es riecht nach Schmierfett, eine Ölheizung bläst mit dumpfem Drönen warme Luft aus einem riesigen Rohr in die Halle. An einem Werkzeugregal hängen Schraubenschlüssel in absurden Größen. Ringsum stehen museal wirkende Maschinen, ansonsten Ersatzteile, Ersatzteile, Ersatzteile – in Sortierschränken, an den Wänden, in Regalen, auf Tischen, in Kisten.

Erfahrene und engagierte Werkstattmitarbeiter

Niemand kennt sich in diesem riesigen Fundus so gut aus wie Uwe Pötschke. Vor 44 Jahren fing er seine Lehre bei der Deutschen Reichsbahn an, blieb der Eisenbahn sein Arbeitsleben lang treu. Heute ist er Vorarbeiter in Radebeul. „Auseinandernehmen, bauen, basteln, schweißen – das fasziniert mich“, sagt der passionierte Eisenbahner.

Mit einer Taschenlampe und einem Hammer kriecht er unter den Kessel der Lok, schaut prüfend nach unten und sichert mit einem silberglänzenden Splint eine Spannschraube. „Eine Lage der Laufachsfeder war durchgebrochen“, erklärt er. „Die haben wir eben ausgetauscht.“ Die gebrochene Lage wird ersetzt und die Feder danach wiederverwendet.

Schülerpraktikant Yannick transportiert mit einer Sackkarre das Bauteil aus der Werkstatt, um es zu säubern. Wer weiß, vielleicht wird er der nächste Lehrling bei der SDG? Uwe Pötschke, jedenfalls, würde sich über jemanden freuen, der in seine Fußstapfen tritt. „Ich will ja irgendwann in Rente gehen – und dann auch mal als ganz normaler Fahrgast mit der Lößnitzgrundbahn fahren“, sagt er und lacht.

Wiederverwendung spielt eine große Rolle

Nicht nur die Federn werden wiederverwendet, auch die feinen Metallspäne, die beim Fräsen abfallen. Sie werden eingeschmolzen und zu neuen Gleitlagern gegossen. Mirko Froß zeigt uns ein glänzendes Gleitlager aus Weißmetall. „Die gehören zu den häufigsten Verschleißteilen einer Lok.“

An der grünen Fräse, die in etwa ebenso alt ist, wie die Lok selbst, steht Werkstattmitarbeiter Tino Landrock und achtet darauf, dass die Gleitlager sauber gefräst werden. Dann dreht er den Hebel zur Seite, nimmt einen Pinsel und putzt die hereingefallenen Späne mit größter Sorgfalt aus dem Lager. „Wir wollen so viel wie möglich selbst machen“, erklärt Mirko Froß.

Eine Dampflok braucht viel Zuwendung. Ist der Kessel einmal angeheizt, was acht Stunden dauert, brennt das Feuer etwa einen Monat lang durch und muss dabei rund um die Uhr bewacht werden. Nach 30 bis 40 Fahrtagen kommt jede Lokomotive zur Wartung. Dann müssen unter anderem der Kessel gereinigt, die Bremsen gestellt, die Lager getauscht, die Achslagerdochte geprüft und Schlingerstücke geschmiert werden. Eine lange Checkliste an der Werkbank erinnert an alle Plan- und Zusatzarbeiten. „Jeder kann sich daraus seine Aufgaben suchen, meistens werden zuerst die leichten erledigt. Die schwierigen bleiben dann am Ende für mich“, scherzt Uwe Pötschke.

Nach vier Jahren steht eine Zwischen-, alle acht Jahre eine Hauptuntersuchung an. Bei letzterer wird die Lok praktisch in ihre Einzelteile zerlegt. Bislang geschieht das in der Lokomotivwerkstatt in Oberwiesenthal. „Aber sie kommt an ihre Kapazitätsgrenzen“, erklärt Froß. Zudem sei der Transport der Loks ins Erzgebirge aufwendig und teuer. Deswegen sollen größere Untersuchungen zukünftig auch in Radebeul durchgeführt werden können.

 

Neue Werkstatt entsteht nebenan

Aus diesem Grund – und um die Arbeitsbedingungen der Werkstattmitarbeiter zu verbessern – werden in Radebeul zwei neue Hallen gebaut. Die erste ist bald bezugsfertig, die zweite soll an der Stelle der alten Werkstatt in den nächsten Jahren entstehen. Drei Millionen Euro hat der erste Neubau inklusive Planung gekostet. Der Freistaat Sachsen und der Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) unterstützen mit Fördergeldern.

Überhaupt ist der Betrieb der Schmalspurbahnen für das Land ein Zuschussgeschäft. Seit 2019 gehört die SDG, die neben der Lößnitzgrundbahn auch die Weißeritztalbahn und die Fichtelbergbahn betreibt, dem VVO und dem Verkehrsverbund Mittelsachsen (VMS). Seitdem wird kontinuierlich investiert. In Oberwiesenthal und in Freital wurden die Werkstätten bereits modernisiert. „Uns sind die Bahnen lieb und teuer“, sagt VVO-Pressesprecher Christian Schlemper. Lieb und teuer: Das sind sie auch dem Freistaat. Für den Erhalt der drei Schmalspurbahnen, die zum sächsischen Kulturerbe gehören, bekommen die beiden Verkehrsverbünde sieben Millionen Euro aus dem Landeshaushalt. Jährlich.

Werkstattmitarbeiter Fabian Höde steht jetzt unter der Lok in der Arbeitsgrube und hält die Taschenlampe an Schrauben, Stangen und Räder, um zu prüfen, ob alles an Ort und Stelle sitzt. „Sieht alles gut aus, soweit“, ruft er seinem Kollegen zu. „Die Arbeitsgruben sind eigentlich zu eng und zu klein“, erklärt uns Mirko Froß. Große Menschen müssen ihren Kopf einziehen, selbst wenn die Bahn mit Hydraulikhebern noch ein Stück angehoben wird. „Das ist nicht rückenfreundlich.“ Zudem seien Wände und Dach der Halle kaum wärmegedämmt, die Toiletten sanierungsbedürftig, die Tore zu schmal. Auch das sind Gründe für den Werkstattneubau.

Unverwüstliche Maschinen

Die urigen Maschinen aber, die hier teilweise noch aus den Anfangsjahren der Werkstatt stehen, ziehen mit um. Darunter imposante Bohrmaschinen, Schleifböcke, ein Amboss, Schneidemaschinen und Metallsägen. „Die sind unverwüstlich“, weiß Mirko Froß.

Fabian Höde widmet sich einem Ablagebrett aus Stahl. Erst sprühen beim Trennschleifen die Funken, dann blitzt das Schweißgerät. Er geht zum Führerstand der Lok und prüft, ob es passt. Die Lokführer hatten sich ein neues Ablagebrett für ihre Taschen gewünscht. Das alte aus Holz war inzwischen morsch. „Solche Wünsche erfüllen wir natürlich auch gern“, sagt Fabian Höde.

Die Wartung der VII K ist beendet, ihre Feuerbüchse bereits mit Holz gefüllt. Vor dem nächsten Einsatz muss der Kessel der alten Dame nur noch mit Wasser gefüllt und das Holz angezündet werden. Eine der letzten Arbeiten heute ist die Montage des Schneepfluges. Dann kann die Lok wieder auf Tour durch die idyllische Wald- und Teichlandschaft gehen. In der Zwischenzeit kommt ihre Schwester zur Wartung in die Werkstatt – mit einer neuen Checkliste, die in den nächsten Wochen abgearbeitet wird.

Fakten zur Lößnitzgrundbahn

Die Lößnitzgrundbahn fährt auf einer der ältesten Schmalspurbahnstrecken Deutschlands. 1884 wurde sie eingeweiht. Heute sind die historischen Dampfzüge auf einer Spurweite von 750 Millimetern täglich zwischen Radebeul, der Moritzburger Teichlandschaft und Radeburg unterwegs. Erlebnisreiche Sonderfahrten, wie der Whisky-Zug oder der Nikolausexpress, ergänzen den Fahrplan. https://www.loessnitzgrundbahn.de/veranstaltungen/

Extratipp:

Inhaber des Deutschlandtickets können für acht Euro „SDG-Historik-Zuschlag“ ein Tagesticket für die Lößnitzgrundbahn und die beiden weiteren Bahnen der Sächsischen Dampfeisenbahngesellschaft erwerben.

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