München, Rom, Venedig – Hauptsache Dresden
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Kategorie: Was noch? | Stichwörter: KIN, Nahverkehr
Jedes Unternehmen wünscht sich motivierte Mitarbeiter. Silke Haas, Zugbegleiterin bei der DB Regio, ist eine davon, denn sie ist seit 20 Jahren im Unternehmen und hat bisher keinen Tag bereut. Lesen Sie das ganze Interview.
Nils Brabandt/Konzept Konzept
Hallo Frau Haas! Es ist 14:30 Uhr. Für heute alles geschafft?
Ja, Feierabend! 13:51 Uhr hatte ich Dienstschluss. Danach war ich noch in der Einsatzstelle meine Dienstkleidung wechseln und bin jetzt auf dem Weg nach Hause. Ich komme gut mit Früh- oder Spätschichten zurecht. Ich war jahrelang auf den Nachtzügen der Deutschen Bahn unterwegs, da macht mir sowas gar nichts aus.
Nachtzüge haben etwas Romantisches. Wie war das so?
Das war mein Leben. Für mich gibt es nichts Schöneres als auf dem Zug zu sein. Ich liebe Bahnhöfe, die Menschen, das Abschiednehmen und das Ankommen – für Außenstehende ist das schwer verständlich, aber irgendwann kommt man davon nicht mehr los. Während meiner Zeit wurden die Grenzen zum Schengen-Raum geöffnet. Diese neue Leichtigkeit durch die gewonnene Reisefreiheit konnte man richtig spüren. Vor drei Jahren habe ich dann die Flüchtlingsbewegung von Italien nach Deutschland miterlebt. Das waren traurige Momente, wenn Mütter mit Kindern auf Knien vor den Polizisten bettelten, um in den Zug einsteigen zu dürfen.
Warum haben Sie dort aufgehört?
Die DB hat 2016 ihre Nachtzüge eingestellt. Da sind einige Tränen geflossen. Und ich musste mir einen neuen Job suchen. Zuletzt war ich auf den Strecken zwischen Deutschland und Italien eingesetzt, von München nach Rom, Mailand und Venedig. Das Eisessen konnte ich mir wenigstens beibehalten. (lacht)
Wie ging es weiter? Seit Mai 2017 sind Sie ja in Dresden.
Ich sage immer, alles hat zwei Seiten. Denn jetzt beginnt eine Geschichte, die ich selbst kaum glauben kann. Für mich ist trotz des Endes der Nachtzüge ein beruflicher Traum in Erfüllung gegangen: Über eine kurze Zwischenstation im Unternehmen bin ich nun wieder auf einem Zug. Ich konnte bei der Deutschen Bahn bleiben und ich bin durch Zufall zurück in meine Heimat nach Dresden gekommen. Vorher musste ich immer nach München pendeln. Jetzt habe ich ganz kurze Arbeitswege – daran muss ich mich erstmal gewöhnen.
Was ist Ihre neue Aufgabe?
Im Grunde ist es nicht anders als im Nachtzug. Als Zugbegleiterin bin ich auf meinen Strecken für das Wohl der Fahrgäste und die Tickets zuständig. Wir sind in unserem Streckennetz etwa hundert Kollegen und arbeiten im Schichtsystem auf den Regionalbahnen Richtung Cottbus und Leipzig und natürlich den S-Bahnen des Verkehrsverbunds – also beispielsweise zwischen Meißen und Pirna.
Was halten Sie von der Taktverdichtung nach Pirna?
Im vergangenen Jahr wurde ja schon der Takt im Berufsverkehr zwischen Meißen und Dresden erhöht. Die Erleichterung für die Fahrgäste war enorm. Mehr Platz, weniger Lärm, flexiblere Abfahrtszeiten … Seit April 2018 fahren die S-Bahnen im höheren Takt nun bis Pirna durch. Das ist natürlich richtig klasse. Versetzen Sie sich mal in die müden Berufspendler morgens 5:30 Uhr: Die mussten bisher immer in Dresden in die S1 umsteigen und dort war dann kaum ein Platz frei. Jetzt können alle sitzen bleiben und noch ein Nickerchen machen. Außer wenn ich komme – den Fahrschein müssen sie mir natürlich noch zeigen. (lacht)
Sie sind eine fröhliche Person. Lassen Sie sich eigentlich auch einmal von irgendwas die Laune verderben?
Kaum. Ich habe jeden Tag mit Menschen zu tun und wenn ich dabei eines gelernt habe, dann ist es, dass Respekt und Höflichkeit fast immer eine positive Reaktion erzeugen. Mein Motto ist deshalb: „Behandle alle so, wie du selbst gern behandelt werden möchtest.“ Damit bin ich bisher sehr gut gefahren. Schön ist es beispielsweise, mit Wandergruppen in die Sächsische Schweiz zu fahren. Die singen, sind fröhlich und packen da teilweise ein ganzes Buffet aus. Natürlich ist es etwas Anderes, wenn ich früh dann wieder morgens auf leisen Sohlen durch den Gang laufe, um die Pendler nicht zu stören. Aber genau das macht meine Arbeit so interessant.
Vielen Dank für das Interview, Frau Haas.
Weitere interessante Wegbegleiter finden Sie im Verbundbericht „20“.
Ich will ja hier ungern die Spaßbremse spielen, aber in meinen bescheidenen Augen ist der Teil „Die singen, […] und packen da teilweise ein ganzes Buffet aus“ ein klarer Verstoß gegen die Beförderungsbedingungen:
Fahrgästen ist insbesondere untersagt,
9. Tonwiedergabegeräte, Tonrundfunkempfänger, Musikinstrumente oder andere
geräuscherzeugende Gegenstände zu benutzen, wenn dadurch andere Personen
belästigt werden
(3) Den Fahrgästen ist es nicht gestattet, in Verkehrsmitteln offene, zum sofortigen Verbrauch
bestimmte Nahrungsmittel und Getränke mitzunehmen, die zur Verunreinigung
von Kleidungsstücken der Fahrgäste und der Wageneinrichtung führen können.
Aber ich weiß schon, was als Antwort kommen wird: „Es liegt im Ermessen des Zugbegleiters…“
Die Beförderungsbedingungen müssten eigentlich viel härter und konsequent durchgesetzt werden. Bspw. der Gestank durch Biertrinker und Fastfood-Esser in den Zügen ist echt widerlich…
Dazu kommt, dass das Rauchverbot auf den Bahnhöfen und Bahnsteigen eh niemanden interessieren, selbst DB- und MRB-Angehörige habe ich da schon rauchen sehen, wo ist denn da die Vorbildfunktion?
Und mittlerweile muss man ja auch aufpassen, nicht von Radfahren umgefahren zu werden, obwohl es lt. DB-Hausordnung verboten ist…