Personal mit Plan

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In fast allen Bereichen fehlt es schon heute an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Motivierte Fachkräfte entscheiden deshalb nicht nur über den pünktlichen Bus, sondern auch wie die Verkehrswende gelingen kann.

Nils Brabandt/Konzept Konzept

Christine Singer (l.) und Lars Seiffert (m.) lassen sich in einer Werkstatt der Deutschen Bahn von einem Mitarbeiter die Technik erklären.

Verkehrsunternehmen reagieren auf schwierige Zeiten

Die Verkehrsleistungen der Unternehmen waren 2022 geprägt von vielen Ausfällen. Oft fehlte es an Personal. Die mitteldeutschen Bahnen haben nun eine Vereinbarung geschlossen, die verhindern soll, dass sie sich gegenseitig frisch ausgebildete Mitarbeitende abwerben. Und falls doch jemand zwischen den Verkehrsunternehmen wechselt, erfolgt eine Kompensation der für die Ausbildung entstandenen Kosten. Wie die weitere Personalstrategie bei SPNV und ÖPNV aussieht, erläutern im Gespräch Christine Singer (CS), Vorsitzende der Regionalleitung DB Regio Südost, und Lars Seiffert (LS), Vorstand für Betrieb und Personal bei den DVB.

Hatten Sie eigentlich als Kind einen Traumberuf?
LS Ich wollte tatsächlich schon immer Straßenbahn fahren. Für mich war stets klar – auf zwei Schienen geht es durchs Leben. Ich habe damals eigene Liniennetze gemalt und Fahrpläne erstellt. Ein Auto hatten wir nicht, so war ich mit dem Reisen auf Schienen verbannt.
CS Meine Familie hatte bis in die 1980er-Jahre kein Auto. Wir lebten in Rumänien und für mich waren öffentliche Verkehrsmittel, also Zug, Bus und Straßenbahn dadurch Alltag. Somit hatte ich schon sehr früh eine ganz selbstverständliche Nähe und Affinität zu dieser Branche. Heute bin ich gleichzeitig Kundin und Gestalterin.

Der Fachkräftemangel hat auch die großen Unternehmen erreicht. Im Raum Dresden stehen DVB und Deutsche Bahn dabei in direkter Konkurrenz zur wachsenden Halbleiterindustrie.

Wie sieht die aktuelle Personalsituation in Ihren Unternehmen aus?
CS Zurzeit konkurrieren wir um Mitarbeitende in allen Branchen. Überall werden Menschen gesucht und das spüren auch wir. Dass sich Sachsen als Standort sehr positiv entwickelt, ist sehr erfreulich. Umso mehr wird motiviertes Personal erfolgskritisch für jedes Unternehmen. Gleichzeitig sind der demografische Wandel und auch das stärkere Bedürfnis der Menschen nach Freizeit spürbar. Work-Life-Balance ist ein großes Thema und darauf reagieren wir auch. So ist die DB über die Jahre eine attraktive Arbeitgeberin geworden.
LS Noch stehen wir gut da, aber es ist anspruchsvoller geworden. Der Fachkräftemangel hat nach den kleineren Verkehrsbetrieben mittlerweile auch die Big Player erreicht. Dresden entwickelt sich wirtschaftlich extrem gut. Gerade für die Halbleiterindustrie und andere technischen Unternehmen, lässt sich sagen, dass dort Berufsgruppen favorisiert werden, die auch wir dringend benötigen. Der Kampf um die Mitarbeitenden ist schon im vollen Gange!

Wie hat das alles Ihre Arbeit verändert?
LS Dass wir uns natürlich ganz anders auf die Bedürfnisse einstellen müssen. Nicht nur mit Blick auf Bewerber, sondern auch auf die Bedürfnisse derjenigen, die bereits im Unternehmen arbeiten. Das geht bei Teilzeitangeboten los, setzt sich über das Thema mobiles Arbeiten fort bis hin zu anderen Aspekten wie Fehlerkultur und weiteren Goodies, Bonusprogramme oder der Frage, wie wir besser miteinander arbeiten? Wir hören da genau hin und schauen, was die Arbeitnehmenden wollen und was wir davon erfüllen können. Mittlerweile leisten alle Führungskräfte und Mitarbeitenden Personalarbeit und sorgen für ein wertschätzendes und motivierendes Arbeitsklima. Dadurch erhält die eigene Tätigkeit einen zusätzlichen Sinn und wir haben die Möglichkeit, uns mit mehr Menschlichkeit und Kompetenz einzusetzen.

Was wird der neue Ausbildungspakt aus Ihrer Sicht bringen?
CS Die am Pakt beteiligten Verkehrsunternehmen stehen vor der großen Aufgabe, die zahlreiche Rentenabgänge in den kommenden Jahren ersetzen zu müssen. Zusätzlich will und soll unsere Branche wachsen. Dafür benötigen wir noch weitere Triebfahrzeugführende. Die Berufsausbildung und die Ausbildung von Quereinsteigern sind deshalb der Schlüssel zum Erfolg. Der neue Ausbildungspakt gibt uns die Sicherheit, besser planen zu können. Denn damit minimiert sich das Risiko, welches durch die hohen Ausbildungskosten bislang bestand, und führt hoffentlich insgesamt zu höheren Ausbildungszahlen. Wir bei DB Regio Südost erhöhen unsere Ausbildungszahlen im Vergleich zu den Vorjahren nochmals deutlich.

Lars Seiffert setzt auf Aus- und Weiterbildung. Die DVB bieten Absolventen eines dualen Studiums beispielsweise sofort einen Arbeitsvertrag im Unternehmen an.

Könnten Sie sich das auch für den ÖPNV vorstellen?
LS In der Ausbildung gehen wir da bereits andere Wege und bieten als Unternehmen beispielsweise Studienplätze zum Verkehrsinfrastruktur-Management an oder bilden im dualen Studium aus. Diese BA-Studenten nehmen wir direkt unter Vertrag und warten nicht erst, bis sie ihr Studium abgeschlossen haben. Wir schauen uns auch verstärkt im Ausland nach Fachkräften um. Selbst bei Auszubildenden wird es schwierig, genügend Bewerber aus Deutschland zu finden.

Können Sie sich weitere innovative Wege vorstellen?
CS Wir haben eine sogenannte Funktionsausbildung aufgebaut. Da werben wir Menschen, die bereits eine Ausbildung haben und bilden sie für verschiedene Zug-Baureihen aus. Das ist quasi ein Quereinstieg. Außerdem rekrutieren wir vermehrt im Ausland und kümmern uns hier auch um die Integration im privaten und beruflichen Umfeld. Fakt ist, dass in unserer Branche im Schichtdienst gearbeitet wird. Das birgt Potenziale, denn manche arbeiten gerne vormittags, andere am Wochenende. Bei der Dienstplanung nehmen wir die individuellen Bedürfnisse sehr ernst.
LS Ob das innovativ ist, wage ich nicht zu beurteilen. Aber wir bieten Studentenjobs in Größenordnungen an und ermöglichen es Menschen, quasi nebenbei, mitzuarbeiten. Auch Rentner, die sich körperlich und geistig fit fühlen, sind herzlich willkommen. Das bereichert uns ungemein.

Gibt es sächsische Besonderheiten bei der Personalgewinnung?
LS Ich denke, das unterscheidet sich weniger regional, sondern eher branchenspezifisch. Bei uns im ÖPNV existieren andere Rahmenbedingungen als beispielsweise im produzierenden Gewerbe.
CS Das glaube ich auch. Wir müssen alle vereint an dem Image der Berufe in unserer Branche arbeiten. Die Vorteile und die Sinnhaftigkeit in den Vordergrund stellen. Denn wir gestalten nachhaltige Mobilität und sind Teil der großen Mobilitätswende. Ohne uns funktioniert das gesellschaftliche Zusammenleben nicht.

Einigkeit bei Entbürokratisierung. Bei der Gewinnung von internationalem Fachpersonal erhoffen sich Lars Seiffert und Christine Singer mehr Unterstützung vom Gesetzgeber.

Was könnte aus Ihrer Sicht die Politik tun oder lassen oder besser machen?
LS Bei der gerade erwähnten Internationalisierung der Personalarbeit braucht es eine Entbürokratisierung. Wenn wir beispielsweise serbische Busfahrer bei uns arbeiten lassen möchten, dauerte der Prozess mehrere Jahre. Das kann nicht der Weg sein, um Fachkräfte ins Land zu holen. Des Weiteren müssen wir den gesellschaftlichen Stellenwert einer beruflichen Ausbildung steigern. Wo ist das Problem, ganz normal die zehnte Klasse zu absolvieren und einen ordentlichen Beruf zu erlernen? Dann muss ich natürlich Facharbeiter, Meister oder Fachwirte entsprechend bezahlen können, was wiederum einen direkten Einfluss auf den Preis der Leistung hat.
CS Das sehe ich genauso. Gerade die Einwanderungspolitik muss gezielter auf die Bedürfnisse in Deutschland ausgerichtet werden. Da ist bei den politischen Rahmenbedingungen noch viel Luft nach oben.

Welche Rolle spielen sogenannte softe Faktoren?
CS Softe Faktoren werden definitiv zu einem Wettbewerbsvorteil im Kampf um die besten Mitarbeiter.
LS Tatsächlich ist das auch für uns ein Thema.
Vor allem, wenn wir bundesweit Spezialisten für spezielle Aufgabenprofile suchen. Die informieren sich vorher, wo, wie und zu welchen Kosten sie hier leben können. Da haben wir mit Dresden großes Glück und noch sind die Erwartungen nicht so, dass wir uns als Unternehmen um diese Dinge kümmern müssen.

Wird autonomes Fahren irgendwann die Situation entspannen?
CS Ja, das ist definitiv eine Option. Es gibt Bereiche wie zum Beispiel in Werken und Abstellanlagen, wo wir früher mit dem autonomen Fahren anfangen werden. Dies wird auch auf ausgewählten Strecken möglich sein. Mir ist dabei wichtig, zu betonen, dass egal wie schnell das autonome Fahren kommen wird, die Berufe nicht wegfallen, sondern sich verändern werden. Es muss sich niemand Sorgen machen, dass nach einer Ausbildung kein Arbeitsplatz zur Verfügung steht.
LS Autonomes Fahren kommt wahrscheinlich nicht flächendeckend, aber für bestimmte Linien oder Verkehre ganz sicher. Allein schon, weil wir deutlich mehr Menschen bewegen werden. Dennoch sollte der ÖPNV immer seine individuelle Note behalten. Die persönliche Betreuung ist ein hohes Gut. Das spiegeln uns unsere Kunden tagtäglich wider.


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