Ein Verkehrsverbund für Ostsachsen
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Kategorie: Top Thema, Was geht?, Was kostets?, Was noch? | Stichwörter: Bautzen, Fusion, Hoyerswerda, Oberlausitz-Niederschlesien, Ostsachsen, RBO, VGH, ZVON, Zweckverband
Die Verbandsversammlung des Zweckverbands Verkehrsverbund Oberlausitz-Niederschlesien (ZVON) hat am 27. Juni 2025 beschlossen, dem Verkehrsverbund Oberelbe (VVO) beizutreten. Damit setzt sich im Nahverkehr fort, was sich in der Wirtschaft, der Bildungslandschaft, aber auch in den Bereichen Wohnen und Freizeit seit langem abzeichnet: Die Vernetzung der Region nimmt zu. Fragen und Antworten haben wir hier zusammengefasst.
Warum wollen die beiden Verkehrsverbünde überhaupt fusionieren?
- Die Aufteilung Sachsen ins fünf Verkehrsverbünde ist in der Zeit der Regionalisierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV) aufgrund des Sächsischen ÖPNV-Gesetzes in den 90er Jahren entstanden. Heute haben sich Pendlerströme verändert, Reisewege werden länger, die Strahlkraft der drei Großstädte Chemnitz, Dresden und Leipzig geht über die jeweiligen Verbundgrenzen hinaus. Bereits heute fahren 2/3 der Eisenbahn-Fahrgäste des ZVON in den VVO hinein. In der Vergangenheit wurden für diese Fahrgäste tarifliche Sonderregelungen geschaffen (u. a. Übergangstarif VVO-ZVON, Sonderregelungen für einzelne Buslinien), der so entstandene Tarif-Vielfalt ist zwar zielgruppenorientiert, wurde und wird jedoch immer wieder öffentlich als unübersichtlich kritisiert. Das Deutschlandticket hat dies zwar radikal vereinfacht, im Freizeit- und Gelegenheitsverkehr besteht allerdings weiterhin der Wunsch nach übergreifenden Tarifangeboten.
- Mit einer Fusion von VVO und ZVON wird die Voraussetzung für ein einheitliches Tarifsystem für ganz Ostsachsen geschaffen, das der zunehmenden Verflechtung der Regionen Görlitz, Zittau und Bautzen mit der Landeshauptstadt Dresden Rechnung trägt. Dabei werden die bestehenden Verflechtungen nach Polen und Tschechien ebenso berücksichtigt wie lokale Besonderheiten und wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen sowie die Landkreise und Städte.
Welche Vorteile bringt eine solche Fusion für die Fahrgäste?
- Die Fahrgäste profitieren von einheitlichen Tickets und Tarifregeln für ganz Ostsachsen. Dabei werden die bestehenden Verflechtungen beider Verkehrsverbünde nach Polen und Tschechien ebenso berücksichtigt wie lokale Wünsche in der Tarifgestaltung.
- Die Fahrgäste profitieren von einem einheitlichen Vertrieb, der im gesamten Verbundraum abgestimmten Standards folgt und werden zentral umfassend informiert. Das bisherige Zusammensuchen von Informationen bei zwei Verbünden entfällt.
- Insbesondere die Vermarktung der touristischen Angebote aus der Region Oberlausitz sowie der grenz-überschreitenden Ticketangebote bis in den Großraum Dresden bietet neue Chancen für Fahrgastwachstum. Die Oberlausitz gewinnt mehr Präsenz im Quellmarkt.
Welche Vorteile bringt eine solche Fusion für die Landkreise und Verwaltungen?
- Mit einer Fusion stärken die Landkreise ihre Funktion als Verantwortliche für den Nahverkehr in ihrer Region und bündeln die hiesigen Interessen in einer größeren Einheit, um bei Verhandlungen mit dem Freistaat, beispielsweise bei Fragen zur Finanzierung oder dem Infrastrukturausbau, mehr Gewicht zu haben; Ein neuer gemeinsamer Verkehrsverbund vertritt dann die Interesse von über 1,5 Millionen Menschen.
- Die Neuansiedlung von Gewerbe, sei es z. B. die Chipindustrie in Dresden oder beim Strukturwandel in der Lausitz, erhöhen die Verkehrsverflechtungen in der Region, wofür ein gemeinsames Nahverkehrsangebot entwickelt werden kann.
- Eine Fusion ermöglicht effizientere Vergaben im Eisenbahnverkehr, da Planungen gebündelt werden und die Netze größer werden können, so dass günstigere Angebote möglich werden.
- Kompetenzen zu Technik, Verkehrsentwicklung, Fördermittel, Vertrieb und Marketing sowie der Digitalisierung werden gebündelt, Doppelstrukturen in der Verwaltung entfallen.
Was passiert mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Verbünde?
- Im ersten Schritt erfolgt der Zusammenschluss der Zweckverbände, dies hat keine Auswirkungen auf die Mitarbeiter vor Ort. Der dann erfolgende Zusammenschluss der beiden Verbundgesellschaften erfolgt gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, denn deren lokale Kompetenz in ihren jeweiligen Verbund- und Themengebieten ist die Grundlage für einen neuen starken Verbund. Bereits heute arbeiten die Verbünde in vielen Bereichen, unter anderem im Vertrieb, im Bereich Verkehr und im Marketing eng zusammen und diese Zusammenarbeit ist eine gute Grundlage für den neuen Verbund.
- Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden auf dem Wege eines Betriebsübergangs auch in die gemeinsame Verbundgesellschaft übernommen.
Bisher erhalten die beiden Verbünde ihre Finanzmittel entsprechend der FinVO des Freistaats getrennt. Wie wird sichergestellt, dass auch zukünftig, wenn es eine Überweisung an einen neuen gemeinsamen Verbund gibt, die Mittel gerecht auf alle Regionen verteilt werden?
- Der Freistaat hat zugesichert, dass die heutigen Zuweisungen an ZVON und ZVOE dem gemeinsamen Zweckverband in voller Höhe erhalten bleiben.
- Über die Mittelverwendung entscheidet die Verbandsversammlung, in der Bautzen und Görlitz mit den anderen Landkreisen und der Landeshauptstadt gleichberechtigte Partner sind. Der neue Verkehrsverbund übernimmt sämtliche Verträge und Verpflichtungen des jetzigen VVO und des ZVON und wird diese erfüllen.
Wie wird sichergestellt, dass im Falle einer Fusion die Interessen und die Entwicklung des ländlichen Raums entsprechend berücksichtigt werden?
- Beide Verbünde umfassen auch heute städtische und ländliche Regionen. Deren Interessen wurden und werden in beiden Verbünden berücksichtigt. Dies wird sich in einem neuen Verbund nicht ändern, da die Stimmenverteilung in der Verbandsversammlung eine Dominanz beispielsweise der Landeshauptstadt, ausschließt. Um Mehrheiten für Beschlüsse zu erreichen, ist der Interessensausgleich zwischen Stadt und Land notwendig und bereits heute gelebte Praxis.
Der Freistaat Sachsen hat für den Fall einer Fusion vier Millionen Euro in Aussicht gestellt. Was soll mit dem Geld passieren?
- Diese Mittel werden unter anderem für die Einnahmeverluste eigesetzt, die durch einen neuen gemeinsamen Verbundtarif entstehen werden. Benötigte in der Vergangenheit ein Fahrgast für bestimmte Strecken zwischen den Verbünden drei Tickets, zum Beispiel erst ein Ticket für den Stadtverkehr Görlitz für die Fahrt zum Bahnhof, dann ein trilex-Ticket bis Dresden und dort erneut ein Ticket für die Fahrt an sein endgültiges Ziel, kann er in einem Verbund ein Ticket lösen, das in den meisten Fällen billiger als die Kombination von drei Tickets ist. Zudem sind Tarife über große Entfernungen i.d.R. degressiv gestaltet und bieten für den Einkaufs- und Freizeitverkehr preisgünstige Tageskarten für das Gesamtgebiet an.
- Durch das Deutschlandticket hat sich für Pendler die Situation vereinfacht und preislich deutlich reduziert. Die daraus entstandenen Mindereinnahmen werden durch Bund und Länder ausgeglichen.
- Im Freizeit- und Gelegenheitsverkehr müssen die Durchtarifierungsverluste durch die Verbandsmitglieder getragen werden. Daher wird bei der Tarifgestaltung besonders darauf geachtet werden müssen, dass die Höhe der Mindereinnahmen begrenzt wird.
Der für den Fahrgast wichtigste Vorteil einer Fusion ist ein Verbundticket. Wäre ein solches Ticket auch möglich, wenn beide Verbünde selbstständig bleiben?
- In Sachsen haben sich die Verkehrsverbünde tariflich unterschiedlich entwickelt. Die drei großen Verbünde gliedern sich in Flächenzonen, die beiden kleinen Verbünde in kurze Teilstreckenabschnitte. Vor diesem Hintergrund und dem zwischen den Verbünden bestehenden Eisenbahntarif lassen sich die Verbundtarife nicht ohne Weiteres koppeln.
- Ein einheitlicher Tarif ist nur möglich, wenn vorab die Aufteilung der Einnahmen zwischen den beteiligten Unternehmen vereinbart ist. Diese Einnahmeaufteilung erfolgt in den beiden Verbünden getrennt und muss für einen flächendeckenden gemeinsamen Tarif zusammengeführt werden.
- Das wird in beiden Verbünden weitgehende Angleichungen erfordern, an deren Ende es keinen Sinn macht, zwei Verbünde aufrechtzuerhalten, zumal die Teilung des Landkreises Bautzen in zwei Verbundräume dabei fortbestehen würde.
Wie sieht dann der neue Tarif aus? Gerade in den Städten ist der VVO-Tarif teuer als der ZVON-Tarif.
- Die Fusion der Verbände bietet die Chance, einen passenden neuen Tarif zu entwickeln. Dies wird nach der Verbandsfusion geschehen. Dabei werden lokale Besonderheiten und gewachsenen Strukturen ebenso berücksichtigt wie die wirtschaftlichen Folgen für die Unternehmen sowie die Landkreise und Städte.
- Die beiden bisherigen Tarife sind 1998 bzw. 2002 gestartet und sind nicht nur grundsätzlich unterschiedlich, sondern stammen zudem aus einer Zeit mit anderen Rahmenbedingungen. Das Deutschlandticket und das Bildungsticket haben die Nachfrage völlig verändert, viele früher oft genutzten Tickets wie Monatskarten werden kaum noch erworben. Mit den neuen Möglichkeiten durch digitalen Vertrieb, wie es der VVO beispielsweise mit der App FAIRTIQ nutzt, gibt es zudem ganz neue Möglichkeiten, den Tarif zu gestalten. Diese Faktoren werden in den neuen Tarif für Ostsachsen einfließen.
- Zum Thema Tarifhöhe: Im VVO hat man für die Stadt Hoyerswerda in einem Pilotprojekt ein günstiges Tagesticket getestet, das stark nachgefragt wurde und daher nach Ende der Pilotphase auch heute noch angeboten wird. Solche Erfahrungen fließen mit in die Tarifentwicklung für Ostsachsen ein.
Ändern sich durch eine Fusion Fahrpläne und Fahrwege? Fahren dann mehr Busse und Züge zwischen den Regionen, die heute noch in unterschiedlichen Verbünden liegen?
- Das Angebot im Bahn- und Busverkehr bleibt unverändert. Die Landkreise Bautzen und Görlitz sowie die Stadt Görlitz sind für den Straßenbahn- und Busverkehr in ihren Gebieten verantwortlich und haben langfristige Verträge mit Verkehrsunternehmen geschlossen. Im Eisenbahnverkehr gibt es Verträge des ZVON mit der Länderbahn (trilex), der ODEG und der SOEG, die ebenfalls noch mehrere Jahre laufen und von dem neuen Verbund übernommen werden.
Was geschieht mit den Mobilitäts-Forschungsprojekten des ZVON?
- Mit den zahlreichen Forschungsprojekten soll ein Beitrag für die Mobilität von Morgen im ländlichen Raum geleistet werden. Die Zusammenarbeit in den bestehenden Projekten wird mit dem Ziel praxisorientierter Ergebnisse fortgesetzt.
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